Wie mir ein Henk passierte...

(gepostet am 1.06.2010 auf www.Fjordforum.de)

Wie Ihr (also zumindest viele von Euch) ja nun wissen war ich lange auf der Suche nach DEM Fidelmapony. 1,5 Jahre um genau zu sein. Und eigentlich hatte ich die Suche bereits drangegeben... Durch halb Deutschland war ich gefahren, X-Ponys hatte ich mir angeguckt, mit vielen, vielen Menschen telefoniert und gemailt. Es waren tolle Pferde dabei: junge, lätere, gut gerittene, gut gebaute, fein im Wesen... Auch schlechte waren es: kranke oder welche mit zweifelhaftem Charakter... Immer fuhr ich mit dem Gefühl nach Hause: irgendwie... nicht MEINES. Zu keinem konnte ich mich recht entschließen.

Als dann im vergangenen Jahr meine Mutter so schwer erkrankte, war ich froh, kein Pferd gefunden zu haben. Die Wochen im Krankenhaus, auf der Intensivstation, die Frage, wie alles weiterginge - ich glaub, htte ich noch eine zusätzliche Verantwortung für ein Pony gehabt - ich hätte das nicht gepackt.
Es folgte die Zeit ihrer Genesung und unser Umzug zurück in mein Elternhaus. Mein Mann und ich sortierten uns hier und auch beruflich gab es einige positiv entspannte Veränderungen. Und ich bekam Lillebror unter den Hintern, dem ich hier ja auch einen Blog gewidmet habe. Alles gut. Daran etwas zu ändern hatte ich - ehrlich gesagt - gar keine Lust mehr. Selten habe ich ein so entspanntes Pferd-Besitzer-RB-Verhältnis erlebt, es gab also gar keinen Grund, mir ein eigenes zu kaufen. Never change a running system.

Und dann fuhren eine Freundin und ich vor einigen Wochen nach Oelde, um dort einen Hänger abzukaufen, den
Judith inseriert hatte... Und dann sah ich diesen Blondschopf:



Ich gebe zu: ihn hatte ich schon irgendwie auf meiner Liste. Allerdings auch eher halbherzig. Er gefiel mir auf den Fohlenbildern vom letzten Jahr einfach gut. Aber was zum Henker sollte ich mit einem solch jungen Pferd??? Ich hatte übers Jahr, jedes Mal, wenn ich Judiths Homepage besuchte gestaunt, dass er der einzige aus ihrem Jahrgang 2009 war, der noch kein neues zu Hause gefunden hatte. Diese Gedanken teilte ich - ich kann ja mein Maul nicht halten :rolleyes: - Judith mit. Sie sagte, am Folgetag kämen zwei Interessenten, die ihn ebenfalls schon lange auf dem Schirm hatten. Gut, abgehakt. Pony oberflächlich angeguckt, für hbsch und süß befunden, nach Hause gefahren. C'est ca. Am nächsten Tag kam eine SMS: "Ich glaub, der will zu Dir... Die Leute haben abgesagt! Die wollen doch ne Stute... ;) "

Blödsinn...

Ich war weiterhin gut mit dem Gedanken, kein eigenes Pony zu kaufen, befreundet. Das Turnier bei Borsbachs kam und ging erfolgreich, ich war verliebter in den Goldjungen als je zuvor. Ein anderes Pony, als Lillebror? Weia, das htte es aber schwer. Nenene... Und dann kam Judiths Mail: "Ich würd ihn gern inserieren, aber biete ihn Dir vorher noch mal an..."

:gruebel:

Ich beratschlagte mich mit mir selbst und fällte folgenden Beschluss: "Ok, ich fahr da nochmal hin! Aber nur, damit ich mich nicht irgendwann fragen muss: was wäre, wenn er ES gewesen wäre?" Jungpferd, Jährling, Hengst... Ph... Doppel- !!!

Tja...

Pfingstmontag war es so weit. Ich muss sagen, dass ich im Vorfeld nicht einmal mehr mit meiner Familie gesprochen hatte. Wozu denn Wind machen? Aber ich war hibbelig. Sonntagabend teilte ich dem Fidelmamann mit "Morgen fahr ich zu Judith! Aber ich leiste nicht den Schwur!" [1] Mein Mann guckt irritiert: "Du willst ein Pferd kaufen?" :blink: "Nun ja, ich verspreche, nur, wenn es DAS Pferd ist..." "Ah" sagt der Mann "alles klar, dann wird das ja eh nix..."
Ich holte meine liebe Freundin Nadine ab, die mich auf fast allen "Pony-anguck-Touren" begleitet hatte. :kiss

Und dann ging irgendwie alles sehr, sehr schnell: veni, vidi, victi, quasi...

Judith holte ihn aus dem Stall, er zwickte mir in den Po... Und: ich war verliebt. :love: Natürlich haben wir uns noch viel Zeit mit ihm genommen, haben ihn und seine Erziehung begutachtet



ihn laufen gelassen



dann hatten wir noch folgende Momente
 


Donnerschlag!

Es war genau DAS Gefühl, welches ich immer vermisst hatte. Wie sagte Gaby (Hucky's Moe) noch am Pfingstsamstagabendstammtisch? "Es muss das gleiche Gefühl sein, als wenn Du Dich in einen Mann verliebst..." :love: Ich sehe Nadine an, schaue aufs Pony und kann nur noch flüstern: "Ich glaube, er IST es..."

Ich bitte mir eine Bedenkzeit aus und wir fahren heim.

Zu Hause teile ich dem entsetzt guckenden Gatten die Botschaft mit. "Ach Du Schei*e! Und jetzt?" fragt er. :yikes:

Ich bin auch vollkommen entgeistert. Was soll ich denn mit einem Jährling? Dem bin ich doch gar nicht gewachsen. Oder doch? Wo denn hin damit? Was ist denn, wenn... (und Wenns gab und gibt es sehr viele!) :yikes:

Konferenzartig schreibe ich PMs mit Bildern, werde angerufen, rufe selber an, maile, simse... Und alle machen mir Mut: Mach es!
Sehr vernunftorientiert setze ich mich hin und verfasse eine pro- und contra-Liste. Die Contras bekommen zwei Punkte, die Pros (bis auf wenige Ausnahmen), einen. Am Ende steht es dennoch 25:28 für pro. Mist. Auch das Sparbuch meldet keine Bedenken an. Der Dienstag ist ein sehr aufregender Tag für mich: ich gehe am Nachmittag noch mit meiner Chefin einen Kaffee trinken. Auch sie spricht mir Mut zu,

Aber: einen Jährling?

Dienstag


Dienstagabend setzen der Fidelmamann und die Fidelma sich zusammen und tragen alle Ergebnisse zusammen: am Ende schreibe ich eine SMS an alle Mitzitternden "Wir kaufen!" Gleiches teile ich Judith mit. Alle freuen sich, außer uns. Uns ist schlecht. Wir sitzen nebeneinander auf der Couch und hören dem Rumoren in unseren Bäuchen zu. Ein Pony. Wir kaufen einen jungen flegeligen Zwerg. Der Gatte beginnt, sich Namensgedanken zu machen. Soll er, das darf er entscheiden. [2]

Ich bestelle bei Amazon ein Buch: "Junges Pferd - was nun?"

Mittwoch

Mittwoch bin ich im emotionalen Ausnahmezustand. Ich hatte eigentlich geplant, wieder in meine alte Reitschule zu fahren. Das klemme ich mir fürs Erste. Sie haben viel Verständnis. Ich mobilisiere mein gesamtes soziales Pferdenetzwerk. Wie eine verliebte Gockeline starre ich den ganzen Tag auf die Fotos "meines" Ponys. Abends fahre ich zum Stall und erörtere mit unserem Junior-SB Pferdeaufzuchtdinge... Schließlich hat der einen Meister in Zucht und Haltung. Mir ist schon wieder schlecht.

Donnerstag


Donnerstag telefoniere ich die Leute ab, von denen ich denke, dass sie wissen, wo man hier mit einem jungen Pferd zur optimalen Aufzucht hin kann. Zu dem Warmblutzüchtern mag ich ihn nicht geben, das ist (bei denen, die ich hier kenne) alles so groß und unpersönlich, davon wird mir auch abgeraten. Also frag ich bei den Isi- und bei den Haflingerleuten an. Und bekomme eine Möglichkeit angeboten, von der ich nicht zu träumen gewagt hatte. 8o Da kann er hin, sobald er im Herbst kastriert ist. "Bring ihn Birte, wir freuen uns, wenn Du kommst!" Ich freue mich auch, dorthin zu gehen: ein sehr gepflegter Offenstall, riesiege Wiesen, eine Herde in der vom Fohlen bis zum Altpferd, Stuten und Wallache gemischt, zusammen leben. Kumpel zum Spielen sind genauso dort, wie Altstuten mit viel Erfahrung im Jungspunderziehen. Und die Leute haben eine gute Einstellung gegenüber den ihnen anvertrauten Pferden, viel Erfahrung und managen alles mit viel Sachverstand. Ich kenn die da alle schon eine ganze Weile. Ich watschele zur Sparkasse und plündere mein Sparbuch. Mir zittern die Hände, als ich mein "Ponygeld" in Empfang nehme. Langsam und ganz leise beginne ich, mich zu freuen. Mein Mann ist bei Namensvorschlag Nr. 3: Henk

Freitag

Am Freitag werde ich pragmatisch. Ich schließe eine Pferdehaftpflichtversicherung ab. Das ist so ein formeller, bodenständiger Akt. Und es hat so was Besiegelndes. Ich werde ganz ruhig: ich habe das Geld, ich habe einen Mann, der hinter mir steht, ich habe einen Platz für ihn, ich habe mir ein Netzwerk aus erfahrenen Helfern geschaffen, er ist versichert. Die Rahmenbedingungen stimmen also. Gut. Abends habe ich eine Reitstunde. Nadine kommt zum Stall und schenkt mir in ihrer neuen Funktion als "Pferdepatentante" eine wunderschöne kleine Putztasche mit lauter hellblauen Bürsten und Striegeln. Wir bekommen schließlich einen Jungen. :love: Ich bin so gerührt. Unser Senior-SB kommt hinzu und sagt: Du hast Dir einen JÄHRLING gekauft???! :patsch: Er hat nicht gefragt, ob ich irre sei, aber er hat es gedacht, ich hab es gesehen! Mein Selbstvertrauen sinkt wieder. Ich hätte ihm auf die unausgesprochene Frage hin nicht widersprechen mögen...

Samstag

Wir sind für nachmittags um drei mit Judith verabredet. Meinen häuslichen Alltagspflichten kann ich nicht nachkommen. Ich bin zu aufgeregt. Ich rufe meine Freundinnen mit Pferd an und frage, ob sie auch SO aufgeregt gewesen seien? Ich ernte Lacher und Verständnis. :hahaha: Der Vormittag will gar nicht umgehen. Um 13:30 Uhr fahren wir los, halten zwischendurch noch bei Loesdau an und kaufen ein schönes Henk-Halfter.
Bei Judith angekommen und vor dem Zwerg stehend, ist plötzlich wieder alles so klar. Mein Mann guckt auf ihn, guckt auf mich und sagt: "Oh ja, das IST Deiner..." Nicht ohne ein leichtes Seufzen. Aber er versteht. Ab sofort nennt er ihn "seinen Spitzbuben"...

Henk zeigt uns, dass wir ihn auch Houdini hätten nennen können. Knoten öffnen macht viel Spaß und Stricke schmecken lecker :rolleyes: (als Erstes kauf ich mal nen Karabiner mit Anbindekette...). Der Gute ist wirklich etwas oral fixiert:



Wir schmusen, sprechen, gucken, freuen uns an ihm:



"Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin!"



Patentantengeschenke werden begutachtet:



Henk kommt mit seinem Kumpel auf die Wiese und sie toben:

8o



8o



Und schließlich lasse ich den Gatten mit den Ponys alleine. Schließlich sollen die sich auch mögen müssen. Bei meiner Rückkehr freue ich mich über das da:



Wir schreiten zum Formellen, ich unterschreibe den Vertrag, bezahle, bekomme die Eigentumsurkunde ausgehändigt. Meiner... 8o Ich hab ein Pferd gekauft! Und das war so nicht geplant: das ist mir einfach passiert! 8o Ich bin völlig von den Socken...

Judith und besprechen noch, wie es nun weitergeht:

Henk bleibt bis mindestens Ende September bei ihr. Dort geht er auf die Sommerweide und hat seinen Kumpel zum Spielen. Auch wenn es schmerzt: MICH braucht er im Moment wirklich nicht. Und bei Judith und Franz bekommt er wirklich alles, was notwendig ist, um ein gesundes, ausgeglichenes, starkes Jungpferd zu werden. Ich weiß ihn dort einfach in den besten Händen. Erst nach seiner Kastration im Herbst wird er hierhin umziehen. Dann werden wir gemeinsam weitermachen. Bis dahin werde ich ihn allerdings nicht sehr oft sehen (es ist schon weit für mich, zu ihm zu fahren). ;(

Ich habe einen enormen Respekt und Ehrfurcht vor der Aufgabe, die ich mir da ins Haus geholt habe. Wir werden sicherlich so manches Mal an unsere Grenzen kommen. Aber ich bin mir auch sicher, dass wir es schaffen können. Ich werde berichten...

Bis dahin bleibt mir nur ein großes Danke :anbet: an Judith und Franz, die den kleinen Mann bis hierhin ge- und großgezogen haben. Und an Vivien, die sich seiner angenommen und ihm alles beigebracht hat, was er schon kann. :thumbsup:

Bye Bye, kleiner Schatz...



Bis zum nächsten Mal!

Fidelma (mit Henk :love: )

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Fußnote

[1] Familientradition, die mich schon vor manch Unheil gerettet habe: "Ich komme nur mit so vielen Füßen nach Hause, mit denen ich auch gegangen bin

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