Minkusch...

* irgendwann zwischen 1992 und 1993
+ am 18.07.2007 um 12:00 Uhr

 

(im April 2007)

Ich lernte Minkusch im August 1995 kennen. Sie lebte, mehr wild als alles andere, im Garten des Wohnheims, in dem ich meine Stellung antrat. Die Bewohner des Heims liebten die Katze, die als Baby einfach von einem Zivi angeschleppt wurde. Minkusch wurde von einem der Bewohner aufopferungsvoll gefüttert. Von Seiten des Heimes sah man zu, dass das Tier kastriert, geimpft und entwurmt wurde. Wirklich zahm war sie jedoch nie: Minkusch genoss die Annehmlichkeiten des Hauses, pflegte sich aber mehr im Freien aufzuhalten und ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen. Andere - noch wildere - Katzen verjagte oder duldete sie. Echte Katzenfreundschaften konnten bei ihr nie beobachtet werden.

Minkusch war das autonomste, schlaueste und zäheste Katzentier, das mir jemals zu Gesicht gekommen ist. Das musste sie auch sein, denn wie sonst hätte sie elf oder zwölf Jahre in der "Bronx" (nicht nur für Katzen) von Gelsenkirchen, mitten an einer sehr stark befahrenen Straße überleben können?

Im Übrigen haben wir erst im hohen Alter von 12, bzw. 13 Jahren festgestellt, dass es sich bei Minkusch nicht um einen Kater (so ihr einfacher Rufname, den sie bis zum Schluß wider besseren Wissens behielt), sondern um ein ausgesprochen weibliches Wesen handelte.

Im bitterkalten Dezember 2002 war Minkusch verschwunden. Über eine Woche lang. Eines Abends (wir hatten -18°c) stand sie vor meiner Bürotür: übersäht mit Beulen und Wunden. Sie muss mächtig misshandelt worden sein. Ich machte sofort Feierabend, packte die Katze ein und wir fuhren zu meiner Haustierärztin.

Da es schon recht spät war und ich meiner Mutter, die zu diesem Zeitpunkt noch arbeiten gehen konnte, versprochen hatte, sie mit dem Auto abzuholen, stand ich um 18:30 Uhr samt verarzteter Katze im Kennel vor ihrer Ladentür. Das Herz meiner Mutter wurde ob der Ansicht der geschundenen Minkusch so weich, dass sie ihr sofort einen Platz zum Aufpäppeln anbot. Pflege, wie sie es verdient und notwendig hatte, hätte Minkusch im Heim nicht erhalten. Weihnachten kam und ging, der Jahreswechsel stand vor der Tür. Minkuschs physische Blessuren waren verheilt, aber die Katzenseele hatte deutlich schlimmere Schrammen abbekommen: die einstmals stolze Trutzburg ihrer Gattung war ein nervliches Wrack, das mehr hinter der Couch lebte, als anderswo. Nur zu meiner Mutter fasste sie immer mehr Vertrauen.

Gemeinsam mit den Bewohnern und Mitarbeitern des Heimes fiel der Entschluss, dass Minkusch bei meiner Mutter bleiben dürfe. Sie hätte sich auch nur schwer wieder von ihr trennen können.

Es dauerte Monate, bis Minkusch sich wieder getraute, einen Fuß vor die Tür zu setzen. In dieser Zeit wurde sie dick, übellaunig, unsauber und manchmal auch aggressiv.
Mich selbst verband sie wohl mit den schlimmsten Zeiten ihres Lebens und es dauerte Jahre, bis ich mich ihr wieder nähern durfte, ohne, dass sie panisch die Flucht ergriff. Meine Mutter war manchmal kurz vorm Verzweifeln.

Der Sommer 2003 wurde ein guter für Minkusch: sie traute sich raus, gewann ihr altes Selbstvertrauen zurück, sie nahm wieder ab und erklärte das neue Revier allen anderen Nachbarskatzen gegenüber - als wahre Ghetto-Göre - nachdrücklich zu ihrem eigenen. Erst der Winter wurde wieder zu einem Problem: war Minkusch draußen, war alles in Ordnung - kaum war sie drinnen, wurde sie wieder unsauber. Mittlerweile ging es meiner Mutter gesundheitlich auch schlechter, so dass dieses Protest- (ich nenne es bei Katzen eigentlich lieber Verzweiflungs-) -verhalten zu einem echten Problem wurde. Tierärztliche Untersuchungen ergaben erste Anzeichen von Arthrose (so gesehen passten meine Mutter und Minkusch perfekt zusammen). Die Gabe von Schmerzmitteln linderte das Verhalten, ganz aufgehört hat es aber nie. Minkusch wurde dann zu einer reinen Gartenkatze degradiert, womit sie sich aber recht gut arrangierte.

Im Winter 2005 traten dann weitere gesundheitliche Probleme auf: es wurde eine massive Schilddrüsenüberfunktion (
Hyperthyreodismus) diagnostiziert. Um medikamentös richtig eingestellt werden zu können, war Minkusch den ganzen Winter zu harter Einzelhaft verurteilt (zusätzlich musste sie wegen ihrer Arthrose und wegen einer chronischen Augenentzündung, unter der sie Zeit unseres Kennens litt,  behandelt werden - das ging nur unter Kontrolle). Drei Monate, die nicht nur für Minkusch, sondern auch für meine Mutter und für mich, die ich die medizinische Versorgung sowie die leider notwendigen permanenten Reinigungsarbeiten übernommen hatte, eine harte Zeit waren.

Aber auch die gingen vorbei und Minkusch konnte im frühen Frühjar 2006 wieder in die Freiheit entlassen werden. Mittlerweile doch betagt wurde sie häuslicher und grenzte ihr Revier immer mehr ein. Nur selten verließ sie den Garten, wurde anderen Katzen gegenüber gelassener, fing aber weiter munter ihre Mäuse und erfreute sich ihres Daseins. Da der Winter 06 / 07 nicht besonders hart war und wir ihr einen warmen Zufluchtort außerhalb des Hauses geschaffen hatten, benötigte sie nicht einmal mehr Schmerzmittel. Alle anderen Medikamente nahm sie problemlos mit ihrem Futter (Junk-Food, Premium wurde ignoriert! ;-)). Minkusch wurde insgesamt dünner und fraß auch nicht immer das Maß, das ihr zugedacht war. Ihre Fellpflege vernachlässigte sie etwas, aber das Bürsten, das ich ihr andeihen ließ, genoss sie um so mehr. Insgesamt machte Minkusch aber einen guten Eindruck.

Im Frühjahr 2007 geschah dann etwas, was wir niemals für möglich gehalten hätten: ein schwarzer, struppiger und raubeiniger Jungspund tauchte in Minkuschs Revier auf und... sie verliebte sich in ihn. :-)
Sie begrüßten sich näselnd oder gingen gemeinsam in den Wald, um Dinge zu erledigen, die eben nur Katzen miteinander erledigen können.

Minkuschs Ende kam abrupt, schnell und unerwartet: meine Mutter teilte mir am Wochenende des 15. Juli 2007 mit, dass Minkusch wieder beim Fressen mäkele. Unbedarft schob ich das auf die plötzlich eingetretene Hitze (Moses und Emma nehmen da auch kaum mehr als Wasser zu sich). Zwei Tage später erfuhr ich dann, dass sie sich seit zwei Tagen gänzlich weigere, Futter aufzunehmen. Ich suchte die Katze und fand sie in einem mehr als jämmerlichen Zustand: hatte sie in der Woche davor noch nahezu in "der Blüte des Lebens" gestanden hielt ich nun ein apathisches, höchstens 1 - 1,5 kg schweres, struppiges und eigenartig stark riechendes Etwas in den Händen. Ich wollte sofort zum Tierarzt, aber in einer unglücklichen Sekunde mobilsierte Minkusch ihre Kräfte und entwischte mir. Das eilends herbei geholte Grillhähnchen sorgte zwar für Interesse, regte aber nicht zum Fressen an. Fangen ließ sie sich an diesem Abend nicht mehr.

Heute, am 18.7.07 musste ich erst die halbe Nachbarschaft umkrempeln, bis ich Minkusch in einem noch jämmerlicheren Zustand fand, als es gestern der Fall war. Mein Mann und ich fuhren zu unserer Tierärztin, die mir beipflichtete, dass Minkusch am Ende sei. Allem Anschein nach sei das ganze Organsystem, vor allem aber die Nieren akut zusammen gebrochen.

Wir haben Minkusch erlösen lassen. Auch wenn sie wirklich nicht mehr weiterleben konnte und in ihren Augen stand, dass sie es nicht mehr wollte, hat sich ihr kleiner schwacher Körper bis zuletzt gegen die Narkose und die anschließende Giftspritze gewehrt. Ihr Körper hat gekämpft, so wie er das ganze Katzenleben hindurch musste.

Es hat sehr weh getan, sie bis zu Ihrem letzten - nicht einfachen - Atemzug zu begleiten. Sie hat ihr Grab in ihrem Revier gefunden.

Adieu, Minkusch! Kämpferin unter den Katzen.

Wir möchten Minkusch in lebendiger und schöner Erinnerung behalten. Deswegen habe ich einen Teil unserer Erlebnisse, die uns manchmal an den Rand des Wahnsinns, meistens aber zum Lachen gebracht haben, an dieser Stelle festgehalten.
Hier die Geschichten um Minkusch-Mutterkatz.


 

Bruno, der Stallkater...

 


 
  Bruno ist im strengen Winter 2010 einfach nicht mehr nach Hause gekommen. Wir sind alle sehr traurig...


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